18. April 2024

Robert Halver

Robert Halver,
Leiter Kapitalmarktanalyse,
Baader Bank

Wie viel Potenzial steckt in Rohstoffen?

Die sich aufhellende Stimmung der Weltkonjunktur schlägt sich auch bei Rohstoffpreisen nieder. Konjunkturzyklischen Industriemetallen kommt die wachsende Nachfrage der Auto-, Maschinenbau- und Infrastrukturindustrie zugute, während Rohöl ebenso aufgrund der Lage im Nahost-Konflikt gut unterfüttert ist. Grundsätzlich bleibt Gold angesichts perspektivisch nachlassender Zinsrestriktionen und aus geopolitischen Gründen ein bedeutender sachkapitalistischer Vermögensbaustein.

Die Welt wächst wieder - leider ohne Deutschland - was nicht ohne Wirkung auf Rohstoffpreise bleibt.

Grafik der Woche

Dabei stört auch nicht die im Vergleich weniger üppige und zinsverteuerte Liquiditätsversorgung der Notenbanken, die sich auch an ihren Bilanzsummen ablesen lässt. Offensichtlich ist immer noch genügend Masse da, um in Rohstoffe zu investieren. Und da sich der Preisdruck zäher hält als allgemein erwartet, bleibt der sachkapitalistische Inflationsschutz bei Anlegern hoch im Kurs, was insbesondere Edelmetallen zugutekommt.

Industriemetalle profitieren vom weltwirtschaftlichen Aufschwung

Von der konjunkturellen Erholung profitieren naturgemäß konjunkturzyklische Industriemetalle, die aktuell rund 15 Prozent höher als im Herbst 2023 notieren. Perspektivisch tragen ebenso der Inflation Reduction Act sowie das Infrastrukturgesetz in den USA zum Zweck der massiven Re-Industrialisierung die Nachfrage nach Industriemetallen. Aber auch weltweit nehmen die Infrastrukturinvestitionen deutlich zu. Daneben verbraucht die Energiewende über den Ausbau der Stromnetze und Batteriespeicher sowie Solarkollektoren und Windräder große Mengen Kupfer, Aluminium oder Zink.

Kurzfristig wirken zudem neue Russland-Sanktionen der USA und Großbritanniens preistreibend. Den angelsächsischen Börsen - u.a. der für Industriemetallpreise maßgeblichen London Metal Exchange (LME) oder Chicagoer Terminbörse - wurde der Handel mit Aluminium, Nickel und Kupfer aus Russland als bedeutender Produzent untersagt. Immerhin, da diese Metalle nun verstärkt außerbörslich gehandelt werden, sind keine dramatischen Verknappungserscheinungen zu erwarten.

Anleger stellen sich auf weitere Preisbefestigungen bei Kupfer auch wegen eines mangelnden Angebots aus Chile ein. Dort sorgen Unterinvestitionen für eine Produktionsflaute. Das Land stellt immerhin knapp ein Viertel des globalen Angebots.

Die spekulativen Positionen auf einen Kupferanstieg liegen auf Drei-Jahres-Hoch. Damit hat sich jedoch ebenso hohes Korrekturpotenzial durch zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen aufgebaut.

Nahost-Konflikt als Gretchenfrage für den Ölpreis

Rohöl bleibt zunächst aufgrund der geopolitischen Risiken - Israel-Iran-Konflikt, Liefereinschränkungen am Roten Meer, Angebotsausfälle nach Anschlägen auf russische Raffinerien - gut unterfüttert. Spekulationen am Terminmarkt befeuern diese Aufwärtsbewegung zusätzlich.

Bemerkenswerterweise rief die jüngste Verschärfung im Konflikt zwischen Israel und dem Iran keine Panik an den Energiemärkten hervor. Dort rechnet man offenbar nicht mit einem Flächenbrand in Nahost. Tatsächlich wirkt Washington mäßigend auf Israel ein, um in keine Auseinandersetzung mit dem Iran hineingezogen zu werden. Und Peking macht seinen Einfluss auf Teheran geltend, um eine Blockade des Nadelöhrs von Hormus zu verhindern. Beide Großmächte haben kein Interesse an einem neuen Großkonflikt mit mannigfaltigen Folgeschäden für Energie und Weltkonjunktur.

Deutlichere Preisrückgänge verhindert jedoch eine sich erholende globale Nachfrage bei weiterhin angespannter Angebotssituation u.a. wegen fortgesetzten Produktionsdrosselungen in Saudi-Arabien und Russland. Grundsätzlich scheint für die Opec+ ein Ölpreis um die 80 US-Dollar je Barrel die rote Unterstützungslinie zu sein. Zwar bewegt sich der Ölpreis seit rund einem Monat deutlich darüber, was die Opec „sorgfältig“ beobachtet. Doch werden Produktionskürzungen wohl noch so lange hinausgezögert, bis die weltkonjunkturelle Nachfrage tatsächlich nachhaltig ansteigt.

Daher ist kein Ölpreis zu erwarten, der in Richtung 100-Dollar-Marke oder darüber springt. Dennoch profitieren Öl-Konzerne von den Preiserholungen der letzten vier Jahre, zumal sie mittlerweile deutlich kosteneffizienter produzieren. Und zur Freude der Anleger zahlen sie auch ordentlich Dividende.

Bei Gold ist noch mehr drin

Das Trio Infernale - Inflation, Überschuldung, Geopolitik - liefert handfeste Gründe für die Goldpreis-Rallye von rund 30 Prozent seit Oktober 2023. Sie ist aber auch sehr von Spekulationen getrieben. Das birgt Risiken für kurzfristige, aber spürbare Gewinnmitnahmen.

Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass das Edelmetall nachhaltig unter Druck gerät. Selbst wenn die Zinssenkungsfantasie der US-Notenbank 2024 weniger üppig ausfällt, wird sie im Herbst dennoch Realität mit Fortsetzung in den kommenden zwei Jahren. Damit verliert das klassische Killerargument an Bedeutung, wonach physisches Gold keine Zinsen zahlt.

Die herbstliche Zinsentspannung in Amerika und insofern Dollar-Beruhigung dürfte dann auch wieder langfristig orientierte Investoren in börsengehandelte, mit physischem Gold hinterlegte, Fonds anziehen, die sich bislang zurückhalten. Der Weg für einen Goldpreis Richtung 2.500 Dollar je Unze am Jahresende ist bereitet.

Übrigens häufen die internationalen Notenbanken unvermindert Goldbestände an. Insbesondere China treibt seine Loslösung von US-Staatspapieren voran und kauft so viel Gold wie kein anderes Land. Insgesamt befinden sich die Goldbestände der Notenbanken auf dem höchsten Stand seit Ende der 1970er Jahre, Tendenz weiter steigend. Das wirkt wie eine Rücklaufsperre für den Goldpreis und nimmt Anlegern die Zweifel.

Silber mit Nachholpotenzial

Neben seinem Edelmetall- profitiert Silber ebenso von seinem Industriemetall-Charakter. Für Solarpaneele, Sensoren von Windturbinen sowie in der E-Mobilität ist das Metall unverzichtbar und verfügt damit gegenüber Gold über einen „Konjunktur-Joker“. Ohnehin befindet sich das Preisverhältnis von Gold zu Silber aktuell auf einem Niveau von 83 und somit deutlich über seinem historischen Durchschnitt von 56. Spätestens ab 80 gilt Silber im Vergleich zum großen Bruder Gold als unterbewertet und hat Nachholpotenzial.

Ähnlich wie bei Gold besteht für Silber mittelfristig weiterhin Aufwärtspotenzial, wobei auch hier kurzfristig heftige Rücksetzer seitens der Terminmärkte einkalkuliert werden müssen. Gegenüber Gold ist Silber allerdings schwankungsanfälliger.

Marktlage - Nahost-Konflikt als Argument für Aktienkonsolidierung

An den Aktienbörsen sorgt zunächst die Lage im Nahen Osten für Verunsicherung und Zurückhaltung. Was kommt noch auf uns zu? Zudem halten sich die Irritationen an den US-Zinsmärkten hartnäckig. Während die Zinssenkungserwartungen der Fed weniger üppig eingeschätzt werden, steigen die Anleiherenditen im Trend weiter. Dennoch scheint sich der Markt damit abgefunden zu haben. Immerhin heißt weniger Zins- mehr Konjunkturfantasie.

Die kommende Woche für Big Tech anlaufende Berichtssaison wird zur Bewährungsprobe für die Aktienstimmung. Da die Analysten nur ein stabiles Gewinnwachstums erwarten, liegt die Latte für positive Überraschungen eher niedrig. Es kommt insbesondere auf die Ausblicke an und hier verfügen die „Magnificent 7“ mit Cloud-Computing, Künstlicher Intelligenz und Sicherheits-Software über intakte Geschäftsmodelle. Jede Enttäuschung würde aber an den Börsen harsch quittiert. Diese Abstrafung bekamen bereits vereinzelte US-Großbanken zu spüren.

Immerhin setzen sich die konjunkturellen Lichtblicke fort. Die vom ZEW ermittelten Konjunkturerwartungen sind auf den höchsten Stand seit Februar 2022 angestiegen. Da sich die hierzu befragten Finanzanalysten typischerweise zurückhaltend äußern, stimmt ihr Anstieg nachdrücklich hoffnungsvoll vor allem für konjunkturabhängige deutsche Aktien.

Sentiment und Charttechnik DAX - Noch keine Entwarnung

Aus Sentimentsicht fahren die Anleger derzeit auf Sicht. Erholungsbewegungen werden durch Gewinnmitnahmen gebremst. Ebenso ist die Gefahr zwischenzeitlicher Panikverkäufe mit Blick auf die unsichere Gemengelage noch nicht gebannt. Ein im Bereich der „Angst“ liegender Fear & Greed Index von CNN Money deutet als Kontraindikator gleichwohl darauf hin, dass das Korrekturtief nicht weit entfernt ist.

Charttechnisch liegen bei fortgesetzter Korrektur erste Unterstützungen bei 17.737, 17.650 und 17.620 Punkten. Darunter befinden sich weitere Haltelinien bei 17.336 und 17.150. Setzt der Index seine Aufwärtsbewegung fort, trifft er bei 17.865, 17.900, 18.025 sowie 18.050 Punkten auf Widerstände.

ToTop

Halvers Kolumne

Eskalation im Nahost-Konflikt als nächster Schwarzer Schwan für die Finanzmärkte?

Nach dem iranischen Angriff auf Israel stellt sich nicht die Frage, ob, sondern wie Israel zurückschlagen wird. Kommt es zu einer Eskalationsspirale, die zu einem unkontrollierten Flächenbrand führt und Weltwirtschaft und Börsen in Mitleidenschaft zieht? Oder siegt die Vernunft, da niemand der Beteiligten - auch nicht die Großmächte - als Gewinner aus dem Konflikt hervorgehen können? Tatsächlich ist die Lage im Nahen Osten noch ruhig. Doch wie unruhig kann es werden? 

Eine Eskalation des Nahost-Konflikts muss nicht unausweichlich sein

Bei einem Flächenbrand drohen galoppierende Ölpreise, blockierte Seewege im Roten Meer und in der Straße von Hormus, massive Inflation, steigende Zinsen, Rezession und einbrechende Aktienmärkte. Und ist dieses Mal die Sorge vor einem Großkonflikt nicht noch größer, da Israel das erste Mal direkt vom Iran angegriffen wurde und das Land strikt seiner Doktrin „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ folgt?

Je heftiger die Reaktion Israels ausfallen wird, umso massiver wird der Iran zurückschlagen, was Israel wiederum zu einer erneuten Antwort provoziert.

Der Konflikt im Nahen Osten muss aber nicht eskalieren. Zunächst, auf den Angriff der Israelis auf die iranische Botschaft in Syrien hat Teheran zwar mit einem quantitativ großen Gegenangriff mit vielen Drohnen und Raketen reagiert, nicht zuletzt, um gegenüber der eigenen Bevölkerung gesichtswahrend aufzutreten. Doch erfolgte dieser mit keinen qualitativ besonders scharfen Waffen, um nicht zu übertreiben. So konnte Israel fast alle unschädlich machen.

Ohnehin kann Israel für sich den politischen Vorteil verbuchen, dass der Gaza-Konflikt, der dem Land viel internationale Kritik einbrachte, aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit verschwunden ist. Den schwarzen Peter hat jetzt der Iran. Übrigens könnte die israelische Seite ihre Handlungsstärke auch unter Beweis stellen, indem sie nicht den Iran direkt angreift, sondern z.B. seine Unterstützer, die Hisbollah im Libanon.

Unabhängig vom gewohnt intensiven Austausch gegenseitiger „Liebenswürdigkeiten“ sind beide Länder ziemlich „quitt“.

Cui Bono? - Niemand gewinnt bei einem eskalierenden Nahost- Konflikt

Da in der Region viele Parteien involviert sind - u.a. USA, Russland, China, EU, Saudi-Arabien - würde eine Eskalation des Nahost-Konflikts die schon jetzt vorhandene geopolitische Verunsicherung noch mehr schüren.

Das wirtschaftlich angeschlagene Europa hat aber kein Interesse an steigenden Energiepreisen. Und China will nicht, dass seine Handelswege beeinträchtigt werden. Als einer der wichtigsten Handelspartner des Irans bezieht es von dort viel Erdöl. Im Übrigen wirkt Peking auf seinen Verbündeten Teheran mäßigend ein, um geopolitische Verantwortung zu beweisen.

Bei einem massiven Schlag gegen den Iran würde Israel weiter an amerikanischer Sympathie einbüßen. Die USA wollen keine brennende Lunte am Pulverfass Nahost sehen. Ohnehin sind sie nach Jahrzehnten der Beanspruchung in der Region kriegsmüde geworden. Eine Einmischung in einen Konflikt bringt weder Joe Biden noch Donald Trump im Wahlkampf Sympathiepunkte ein.

Nicht zuletzt wollen viele Regierungen arabischer Länder selbst einen Großkonflikt frühzeitig verhindern. Sie wissen, je länger dieser andauerte, umso mehr würden sie von ihren Bevölkerungen unter Druck gesetzt, sich mit dem Iran gegen Israel zu solidarisieren. Sie sind die Dauerfehde mit Israel mittlerweile leid, die die Region in permanenter Unsicherheit hält. Daher fahren sie seit Jahren einen vorsichtigen Annäherungskurs mit Israel, der auch zu gegenseitigen wirtschaftlichen Erfolgen führt, was dem Mullah-Regime ein Dorn im Auge ist.

Doch lässt sich vor allem Saudi-Arabien nicht irritieren. Das Land unternimmt größte Anstrengungen, einen wettbewerbsfähigen und attraktiven Wirtschaftsstandort von Weltruf aufzubauen, der Investitionen wie ein Magnet anzieht. Ein Flächenbrand im Nahen Osten würde diese Ziele torpedieren. Niemand investiert in eine unsichere Region.

Nicht zuletzt wissen die Öl-Länder, dass ein Konflikt getriebener Ölpreis die weltweiten Anstrengungen für alternative Energien beschleunigen würde. Sie haben nicht vergessen, dass die zwei Ölkrisen der 70er-Jahre zu dramatischen Bemühungen um Energieeinsparungen und den Ausbau der Kernenergie geführt haben. Im Übrigen würde Amerika auf steigende Ölpreise mit mehr Fracking reagieren, insbesondere wenn Donald Trump wieder ins Amt käme.

Mit Blick auf diesen vernünftigen Hintergrund halten sich die Krisensymptome an den Finanzmärkten in Grenzen. Aktien brechen nicht dramatisch ein, der Ölpreis gibt sogar nach und das Krisenmetall Gold kann kaum bis gar nicht gewinnen.

Aber leider ist nicht auszuschließen, dass sich die Gemengelage auch negativ entwickeln kann. Emotionen - vor allem religiöse - sind manchmal schwer zu kontrollieren.   

Mögen die Finanzmärkte Recht behalten und die Vernunft - auch auf Druck der Großmächte - die Oberhand behalten.

ToTop

Video-Kolumne

Mein wöchentlicher Kapitalmarkt-Ausblick mit dem Titel "Eskalation im Nahost-Konflikt als nächster Schwarzer Schwan für die Finanzmärkte?" - jetzt als Video-Kolumne auf meinem YouTube-Kanal. Diesen können Sie kostenlos abonnieren.
Video-Kolumne

Video-Kolumne

www.roberthalver.de

Besuchen Sie auch meine Website www.roberthalver.de. Hier finden Sie regelmäßig neue Medien- Beiträge von mir zu aktuellen Themen rund um die Kapitalmärkte.
roberthalver.de

oberthalver.de

Einen weiteren aktuellen Beitrag mit dem Titel "Fallender DAX zeigt "gesunde Konsolidierung"" finden Sie auf der Website von ntv.
roberthalver.de

Weitere interessante Beiträge rund um die Kapitalmärkte finden Sie auf der Website von CAPinside.
roberthalver.de

Die Baader Bank ist einer der führenden Partner für Wertpapier- und Banking-Dienstleistungen in Europa. Auf einer hochleistungsfähigen Plattform vereinen sich Handel und Banking in einem einzigartigen Setup unter einem Dach und bieten den besten Zugang zum Kapitalmarkt – sicher, automatisiert und skalierbar. Als familiengeführte Vollbank mit Sitz in Unterschleißheim bei München und ca. 550 Mitarbeitenden ist die Baader Bank in den Geschäftsfeldern Market Making, Capital Markets, Brokerage, Fund Services, Account Services und Research Services aktiv.

Herausgeber:
Baader Bank AG, Weihenstephaner Str. 4, 85716 Unterschleißheim, Deutschland
www.baaderbank.de

Redaktion:
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG

Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG


Disclaimer
Über mögliche Interessenkonflikte und rechtliche Hinweise informieren Sie sich bitte im Disclaimer auf www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer

Zentrale in Unterschleißheim bei München

Zentrale in Unterschleißheim bei München