14. Juni 2019
14. Juni 2019
Zur Abwendung von Schuldenkrisen setzt die EZB weiter alle Zins- und Liquiditätshebel in Bewegung. Doch der Preis ihrer guten Tat ist hoch. Im quasi zinslosen Kapitalismus verhungert das Zinsgeschäft von Banken und Sparkassen. Und zu Risiken und Nebenwirkungen der EZB-Rettung fragen Zinssparer bitte die Rendite ihres Sparbuchs, ihres Festgelds oder ihrer Staatsanleihen. Da die Altersvorsorge der Deutschen immer noch zu über 75 Prozent auf Zinsanlagen basiert, werden unsere Nachkommen kein Auskommen mit ihrem Zins-Einkommen haben.
Nicht zuletzt, bei der geldpolitischen Rettung hat die EZB ihre Stabilitäts-Kleidung abgelegt. Für viele Grund genug, Mario Draghis Abbild als Wurfscheibe zu benutzen. Aber nur offiziell, denn bei vielen Berliner Politikern hängt er klammheimlich als Heiligenbild an der Wand. Denn seine Zins- und Liquiditätspolitik hat den deutschen Staatshaushalt saniert. Und ohne sein Eingreifen hätten wir heute längst Euro-Bonds, also gemeinschaftliche Anleihen, bei denen Deutschland für Europa haftet wie bei den drei Musketieren: „Einer für Alle“.
Es ist einfach, mit dem geldpolitischen Fleischklopfer Euro-Finanzkrisen platt wie Steaks zu klopfen. Doch beim Wachküssen des Konjunktur-Dornröschens scheitert der EZB-Prinz. Dabei ist er am Dauerschlaf selbst schuld. Da sich mangelnde Wettbewerbsfähigkeit wegen geldpolitischer Planwirtschaft nicht mehr wie früher in Risikoaufschlägen bei Staatspapieren niederschlägt, ist der Druck für schmerzhafte, aber wachstumsfördernde Reformpolitik schwach. Da Defizitverfahren der EU gegen Schuldensünder abseits von Moralpredigten ohnehin zu keinen Sanktionen führen, kann sich z.B. Italien so ziemlich alles erlauben, sogar drohen. Denn Rom weiß: Fällt Italien, fällt Europa. Wer strengt sich jetzt denn noch in der Euro-Schule an, wenn die Versetzung trotz ausbleibender Leistung gesichert ist?
Und warum sollten Unternehmen statt im reformfreudigen Amerika und Asien alternativ in Europa investieren, wenn es hier offensichtlich ein Recht auf Faulheit gibt?
Angesichts der massiven Strukturdefizite in Europa kann auch eine noch freizügigere Geldpolitik keine wirtschaftliche Wirkung entfalten. Dennoch zeigt sich die EZB weiter bockig wie ein Esel und glaubt, mit ewig günstigen Leitzinsen und niedrigeren Anleiherenditen das Euro-Konjunkturwunder doch noch herbeizuführen. Über die Wiederaufnahme von Anleihekäufen wird bereits nachgedacht.
Um ans Konjunkturziel zu gelangen, werden sogar ganz neue Notenbankinstrumente diskutiert. So vermutet man, dass Euro-Bürgern bei brutal negativen Anlagezinsen irgendwann die Lust am Zinssparen vergeht und sie ihr Geld konjunkturwirksam ausgeben. Und mit der zunehmenden Abschaffung des Bargelds soll gleichzeitig der Notausgang gegen Zinsverluste zugemauert werden.
Sollten alle Stricke reißen, gibt es ja auch noch „Helikopter-Geld“. Im übertragenen Sinne werden Säcke voller Geld vor den Haustüren der Konsumenten mit der Bedingung abgeworfen, dieses zügig auszugeben, da es ansonsten verfällt. Diesen Gefallen werden die Begünstigten der EZB gerne tun. Angesichts der hohen Mietpreise wären z.B. monatliche Zuschüsse der Regierung denkbar, die von der EZB subventioniert werden.
Aber diese Maßnahmen stehen doch völlig außerhalb des Mandats unserer Notenbank, oder? Stimmt, niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Allerdings zeigt die politische Realität, dass der Zweck alle Mittel heiligt, auch den Regelbruch. Grundsätzlich wird kein Politiker eine unkontrollierte (sozial-)politische Eurosklerose zulassen.
Dann käme es jedoch zu Abhängigkeiten wie bei Drogensüchtigen. Die Wirtschaftsakteure würden sich an die Geldgeschenke gewöhnen und bei jedem konjunkturellen Problemchen den nächsten Geldabwurf vom Helikopter einfordern. Doch mit „Freibier für alle“ würde man der Zerstörung des Leistungsprinzips und schließlich der Gesamtwirtschaft eine Tür öffnen, die man nicht mehr schließen könnte.
Die Euro-Konjunktur hat kein geldpolitisches Angebots-, sondern ein ernstes Nachfrageproblem. Wenn schon Kreditaufnahmen beispiellos günstig sind, dann sollte die Fiskalpolitik diesen Steilpass aufnehmen. Deutschland verdient mit neuen Schulden ja sogar Geld.
Aber, bei dieser staatlichen Nachfrage muss wahlpopulistischer Konsum verboten sein. Knallhart geht es nur um Investitionen in die Infrastruktur. Zwischen Flensburg und Passau bzw. Aachen und Cottbus wird so die Standortqualität wieder auf global wettbewerbsfähiges Niveau gebracht. Es geht um Verkehrswege, (Strom-)Netzausbau, Digitalisierung, 5G und Bildung, Bildung, Bildung. Wir wiederholen die Wirtschaftspolitik der 50er- und 60er-Jahre. Damals haben staatliche Basisinvestitionen einen wirtschaftsfreundlichen Nährboden geschaffen, der schließlich zu unternehmerischen Folgeinvestitionen führte. Dagegen ist die schwarze Null nur ein Fetisch. Kaputtsparen macht nicht reich.
Fände dieser Investitionsansatz auch in anderen Euro-Ländern Anwendung, würde die notenbankseitige Geldflut nicht nur weiter Anlageblasen an Zins- und Immobilienmärkten aufblähen, sondern ihren eigentlichen realwirtschaftlichen Zweck erfüllen. Es gäbe mehr Arbeitsplätze, Konsum, Steuereinnahmen und sozialen Frieden. Und für die europäische Idee wäre es auch gut. Nicht zuletzt bekämen die Aktienmärkte viel fundamentales Fleisch an den abgenagten Knochen der Liquiditätshausse.
Übrigens, die USA und China machen es genauso und zwar erfolgreich.
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