Alle Blicke sind auf die EZB gerichtet
Nicht zuletzt wegen des Konfrontationskurses der italienischen Regierung gegenüber der EU-Kommission wird am heutigen Donnerstag mit Spannung nach Frankfurt geschaut. Dort wird im Anschluss an die vorletzte Sitzung des EZB-Rats in diesem Jahr um 14:30 Uhr eine Pressekonferenz stattfinden. Neben den zu erwartenden mahnenden Worten an die populistische Staatsregierung Italiens wird von den Analysten sicherlich jedes Wort des EZB-Präsidenten auf neue Hinweise zur geldpolitischen Ausrichtung abgeklopft.
Ob der Italiener Mario Draghi als EZB-Chef seine Landsleute zu einem Umdenken in der Haushaltspolitik bewegen kann, darf bezweifelt werden. Auch die teilweise bereits erfolgte Neubewertung der Bonität Italiens und die damit einhergehenden Probleme für italienische Banken hat bisher nichts bewirkt.
Wann wird das Bekenntnis zum Beschluss?
Bei den heutigen Beratungen wird es sicherlich auch um die Haushaltsdisziplin aller EU-Staaten gehen. Allerdings stehen bei weiteren wichtigen Themen in diesem Jahr noch viele Entscheidungen seitens der EZB aus. So wurde bisher lediglich ein Bekenntnis abgegeben, dass die Anleihekäufe zum Jahresende beendet werden sollen. Es ist an der Zeit, einen Beschluss herbeizuführen. Doch es wäre sehr untypisch für den amtierenden EZB-Chef Draghi, wenn er diese Entscheidung schon jetzt verkünden würde und nicht erst bei der nächsten Sitzung im Dezember.
Klärungsbedarf bei der Notenbank
Des Weiteren ist - aufgrund des in den vergangenen fünf Jahren veränderten wirtschaftlichen Gewichts - eine Anpassung des Kapitalschlüssels zu beschließen. In diesem Zusammenhang ist auch festzulegen, ab wann der neue Schlüssel, welcher auch eine Modifizierung der Wertpapierankäufe nach sich zieht, anzuwenden sein wird. In der Übergangsphase - bis die neuen Gelder eingezahlt sind - wird noch nach dem alten Schlüssel verfahren. Auch sind die Wiederanlageregeln zu definieren und dabei muss über folgende Teilaspekte entschieden werden:
- die Fälligkeit der Reinvestition
- die erlaubte zeitliche Differenz zwischen Fälligkeit und Wiederanlage (aktuell zwei Monate)
- in welchen Arten von Bonds (Corporate Bonds, Covered Bonds, Government Bonds) angelegt wird
Somit gibt es im alten Jahr noch so manchen Klärungsbedarf, damit die Voraussetzungen für eine sinnvolle Geldpolitik 2019 gegeben sind. Viele dieser angesprochenen Punkte werden aber vielleicht erst Gegenstand der Dezember-Sitzung sein, in der Mario Draghi zusätzlich die Wachstums- und Inflationsprognosen präsentiert. Deshalb kann es durchaus sein, dass das heutige Meeting und die anschließende Pressekonferenz wenig Neues mit sich bringen wird.
EU zeigt sich beim Brexit prinzipientreu
Dass Premierministerin Theresa May behauptet, der Brexit-Deal stehe zu 95%, zeugt doch eher von Ratlosigkeit und Gesundbeten als von politischem Realitätssinn. Warum würden sonst mehr als eine halbe Million Menschen in London für ein zweites Referendum protestieren? In Wahrheit stecken die Verhandlungen über ein Austrittsabkommen des Vereinigten Königreichs zwischen Brüssel und London in der Sackgasse.
Es ist auch kein neues Treffen zwischen dem britischen Brexit-Minister Dominic Raab und dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier anberaumt. Die Kernfrage, wie man mit Nordirland umzugehen gedenkt, bleibt ungelöst. Ohne sie gibt es keinen Deal. Es gibt aber auch keine Möglichkeiten, beide Positionen zu vereinen, sie würde der Quadratur des Kreises gleichen: Auf der einen Seite die Meute der harten Brexiteers, die das geringste Nachgeben als Verrat brandmarken würden, und auf der anderen Seite die EU, die eine weiche, offene Grenze zwischen einem EU-Land und einem Nichtmitglied nicht dulden kann. Hier zeigt sich auch eine Stärke der EU: Die Gemeinschaft der 27 verbleibenden Länder bleiben bei der Verteidigung ihrer Grundprinzipien, Freiheit von Dienstleistungen, Kapital, Personen und Waren, geschlossen.
Irgendwann muss May springen
Aber irgendwann einmal müsse May springen, sagte diese Woche Günther Oettinger. Sollte dann ein eventueller Deal vom britischen Parlament abgelehnt werden, schließt der EU-Kommissar Neuwahlen oder gar ein zweites Referendum bis Februar 2019 nicht aus. May hat es eben versäumt, parteiübergreifend für einen Konsens zu werben, anstatt sich in Geiselhaft der Hardliner ihrer eigenen Partei zu begeben.
Aufgrund dieser festgefahrenen Situation bemühen sich derzeit Unternehmen, Finanzindustrie und Finanzaufsicht sowohl in der EU als auch in Großbritannien fieberhaft darum, für ihren jeweiligen Bereich einen eigenen Plan B zu erarbeiten. So denkt man in Brüssel darüber nach, die Übergangsfrist nach dem eigentlichen Austritt am 29. März 2019 über das Jahr 2020 zu verlängern. Damit würde man mehr Zeit für die Klärung von Details gewinnen. Das schlimmste Szenario – ein Austritt ohne Deal und ohne Übergangszeit – können dagegen nur Hasardeure wollen, die keinerlei politische Verantwortung im Sinn haben, würde es doch die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien massiv beschädigen.
Finanzindustrie fordert längere Übergangsfrist
Großzügige Übergangsregelungen von bis zu drei Jahren über den Brexit-Termin im März 2019 hinaus, fordert auch die Finanzindustrie. Andernfalls werde die große Unsicherheit über geltende Regeln einen unkalkulierbaren Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft verursachen, heißt es beim Deutschen Aktieninstituts (DAI). Und die deutsche Finanzaufsicht BaFin will nach dem Brexit notfalls direkt mit der britischen FCA zusammenarbeiten, sollte es keine europäische Lösung geben. Im Sinne eines geordneten Austritts Großbritanniens aus der EU sollten sich laut BaFin die europäischen Aufsichtsbehörden und die FCA frühzeitig auf ein geregeltes Verfahren im Bereich des Wertpapierhandels verständigen.
Ruf nach Steuersenkungen wird lauter
Die sprudelnden Steuereinnahmen in Deutschland lassen die Rufe nach einer Entlastung lauter werden. Nachdem die Steuereinnahmen in diesem Jahr auf Rekordhöhe liegen, läge es nahe, über eine Anpassung nachzudenken. So pocht der Steuerzahlerbund auf eine Steuerreform mit deutlich spürbaren Entlastungen für die Bürger in Deutschland, nicht zuletzt, weil der internationale Steuerwettbewerb immer schärfer werde, sagt dessen Präsident Reiner Holznagel. Anstatt eines schrittweisen Abbaus, wie ihn die Groko plant, müsse der Solidaritätszuschlag ab 2020 komplett wegfallen, so seine Forderung.
Holznagel verweist dabei auf die US-Steuerreform, durch welche die Belastung der dortigen Unternehmen drastisch gesenkt worden sei. Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftsrat der CDU, der Steuersenkungen und Entbürokratisierung als die Standortfaktoren der Zukunft bezeichnet. Sie sichern die Arbeitsplätze und den Wohlstand der nächsten Generationen.
Nach Angaben des Finanzministeriums stiegen im September die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden gegenüber dem Vormonat um satte 5,8% auf 68,97 Mrd. €. Damit kletterten die Einnahmen auf 523,4 Mrd. € im laufenden Jahr. Für das Gesamtjahr wird ein Zuwachs um 5,3% auf 710,5 Mrd. € erwartet.
Forderung dürfte bei Olaf Scholz auf taube Ohren stoßen
Dennoch, wenn nun am heutigen Donnerstag, Finanzminister Olaf Scholz die aktuelle Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung vorstellen wird, dürfte er vorsichtig bleiben. Denn seit der Arbeitskreis zuletzt im Mai ein Mehr von 63 Mrd. € vorausgesagt hatte, verlor die Konjunktur in Deutschland an Fahrt. Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für 2018 von 2,2% auf 1,7% gesenkt. Und so hatte Scholz bereits im Mai klargemacht, dass ein großer Teil dieser Zuwächse bereits für Ausgaben reserviert und verplant sei.
Die meisten Investitionsmittel fließen mit knapp 17 Mrd. € ins Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Auch 2019 soll hier der Investitionsschwerpunkt liegen. Mehr Geld soll außerdem in den Breitbandausbau fließen. Der Ruf nach Steuersenkungen dürfte also beim Finanzminister auf taube Ohren stoßen.