Rom und die magische Kraft des Faktischen
Es gibt Dinge im Leben, die sind nicht wegzuleugnen – sie basieren auf der magischen Kraft des Faktischen. Dazu gehört etwa der kausale Zusammenhang, dass der Schuldendienst eines Landes teurer wird, wenn die Risikoaufschläge (Spreads) auf seine Staatsanleihen steigen - so wie man es jüngst bei italienischen Staatspapieren beobachten konnte. Das erkennt Italiens Finanzminister, der parteilose Giovanni Tria, auch an. Er gibt allerdings zu bedenken, dass ein Spread in dieser Höhe, wie sie italienische Staatsanleihen mittlerweile erreicht haben, schädlich sei und niemand könne das Gegenteil behaupten. Die Frage sei nun, wie bringe man den Spread wieder runter, merkte Tria an.
Finanzminister Tria kritisiert die eigene Regierung
Diese Frage ist eigentlich nicht schwer zu beantworten. Ein Haushalt mit einer geringeren Schuldenaufnahme, wie den geplanten 2,4% des BIPs, wäre sicher hilfreich, den Spread zu drücken. Soweit will der Finanzminister in Rom freilich nicht gehen. Nicht die Fundamente der Wirtschaft oder die Zahlen im Haushalt seien der Grund für die herrschende Unruhe, sondern die „politische Unsicherheit, wohin das Land geht". Als entscheidend sieht Tria daher die Frage an, wie sich die Regierung in Rom, bestehend aus der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsnationalen Lega, gegenüber Europa und dem Euro positioniert. Damit kritisiert Tria klar das Liebäugeln der Regierungsparteien mit einem Ausstieg aus dem Euro und einer Rückkehr zur Lira.
Schuldenmachen für Rom bleibt teuer
Nachdem die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen am 30.10. wieder auf fast 3,5% gestiegen war, gab es zur Wochenmitte eine leichte Entspannung auf ca. 3,38%. Dennoch bleibt das Schuldenmachen für Rom damit teuer. Gegenüber zehnjährigen Bundespapieren liegt der Renditespread bei über 300 Basispunkten (BP). Das heißt, Italien zahlt rund 3% mehr als die Bundesrepublik für die eigenen Schulden. Ob aus dieser magischen Kraft des Faktischen die Regierung in Rom die richtigen Schlüsse ziehen wird, darf bezweifelt werden.
Denn deren Vertreter zeigen sich unbeirrt. Mit den Worten „Wir machen weiter“ hatte Sterne-Chef Luigi Di Maio auf die jüngsten Reaktionen der Ratingagenturen reagiert. Zuvor hatte Standard & Poor's Italien mit der Herabstufung seiner Bonität gedroht und den Ausblick von „stabil" auf „negativ" gesetzt. Die Bonitätsnote bleibe aber zunächst weiter bei „BBB", was zwei Stufen über dem Ramschniveau für hochspekulative Anlagen ist. Diese Art von Bestätigung der Kreditwürdigkeit Italiens durch S&P sorgte für die genannte leichte Entspannung an den Finanzmärkten.
Salvini übt sich in Schönrednerei
Der Innenminister und Vize-Premier Di Maio sowie der Lega-Chef Matteo Salvini, üben sich freilich eher im Gesundbeten und im Schönreden als in Realismus. Letzterer betonte, dass in Italien weder Banken noch Unternehmen in die Luft gehen. Jedoch im Zweifel nicht aus eigener Kraft, denn Italiens Banken halten heimische Staatsanleihen in Höhe von rund 375 Mrd. €, die aufgrund der aktuellen Entwicklung an Wert verlieren und somit Verlustpotential für die Institute beinhalten. Laut „Corriere della Sera" ist Rom bereit, die Banken mit Krediten, Staatsgarantien und weiteren Maßnahmen zu unterstützen, sollte der Renditespread auf ein nicht mehr tragbares Niveau steigen – wann immer das auch sein mag.
Tria springt Draghi bei
Dass nun auch noch der Italiener und EZB-Chef Mario Draghi, der mit seiner expansiven Geldpolitik gerade der römischen Regierung viel Zeit für Reformen „erkauft“ hat, in die Schusslinie von Di Maio und Salvini gerät, zeugt von dem fehlenden wirtschaftspolitischen Sachverstand der beiden. Nachdem Draghi gesagt hatte, Rom solle sich im Ton gegenüber der EU mäßigen, wenn die Regierung italienische Banken stützen wolle, konterte Di Maio, er sei überrascht, dass ausgerechnet „ein Italiener die Atmosphäre auf diese Art und Weise weiter vergiftet“. Tria sprang Draghi indessen bei. Der EZB-Chef habe die Wahrheit gesagt, so der parteilose Finanzminister in Rom.
USA: Märkte fiebern dem 6. November entgegen
Knapp zwei Wochen vor den Kongresswahlen in den USA waren schon mehr Stimmen abgegeben worden als während der gesamten Vorphase der Midterm Elections 2014. Kein Zweifel, die Vereinigten Staaten und mit ihnen die restliche, politisch interessierte Welt fiebern den Zwischenwahlen in den USA entgegen – und natürlich auch die Kapitalmärkte.
Bei den Midterm Elections kommt es zum Schwur
Warum ist das so? Die Amerikaner wählen am 6. November das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu. Außerdem finden in 36 Staaten Gouverneurswahlen statt. Die Ergebnisse werden entscheidend dafür sein, wie viele seiner Vorhaben D. T., der Unberechenbare, noch durchsetzen kann. Aktuell haben die Republikaner in beiden Kammern der Legislative die Mehrheit. Die Demokraten hoffen nun, bei den Midterm Elections zumindest im Repräsentantenhaus die Mehrheit zurückzugewinnen und eine stattliche Anzahl republikanischer Senatoren und Gouverneure abzulösen. Damit könnten sie Präsident Trump stärker entgegentreten als bisher.
Wie wirken sich die Wahlen auf die Märkte aus?
Wie aber werden sich die Ergebnisse auf die Märkte auswirken? Bereits heute spekulieren Auguren bei einem Wahlsieg der Demokraten mit einem Ende des Bullenmarkts in den USA. So rechnet Schwellenmarkt-Experte Mark Mobius von Templeton mit einer Neuallokation von Geldern in europäische, japanische und Schwellenländer-Aktien, sollten Trumps Republikaner bei den Midterms den Kürzeren ziehen. Damit, so sein Kalkül, könnte es zu einer festgefahrenen politischen Situation kommen, also einer Art Patt, bei dem Reformen in jegliche Richtung kaum durchzusetzen wären.
Neue Zoll-Drohung belastete die Wall Street
Gleichzeitig wäre ein Dämpfer für D. T., den Unberechenbaren, aber auch ein Zeichen für den freien Welthandel. Schließlich ist es der von Trump losgetretene Handelskrieg, der das weltweite Wirtschaftswachstum am meisten gefährdet. Daher dürften die Börsen eine Niederlage der Republikaner mittel- und langfristig eher positiv aufnehmen. Nachdem die USA bereits Zölle im Volumen von 250 Mrd. USD auf chinesische Waren verhängt haben, droht Trump aktuell mit Zöllen für Güter über weitere 267 Mrd. USD – eine Situation, die wie Blei auf der Wall Street lastete. Diesbezüglich hat inzwischen eine neue Sprachregelung "Zölle sind nicht in Stein gemeißelt" Einzug gehalten, was zumindest kurzfristig an den Börsen für Entspannung sorgte. Nun darf man gespannt sein, was dabei herauskommt, wenn sich Trump und Chinas Präsident XI Jinping am Rande des G20-Gipfels in Buenos Aires treffen, der vom 30. November bis 1. Dezember stattfindet.
Zurück an die Weltspitze?
Als „Bullshit“ soll er Berichte bezeichnet haben, die von einem Zusammenschluss der Deutschen Bank und der Commerzbank handeln. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat laut „Financial Times“ in einer Telefonkonferenz betont, er werde keine Fusionsgespräche führen, solange die Kapitalmarktbewertung der Deutschen Bank so schwach sei wie derzeit. Für die Deutsche Bank gehe es erst einmal darum, die Erträge anzukurbeln und die Lage der Bank zu verbessern. Klar, Sewing will aus einer Position der Stärke verhandeln. Und dafür braucht er eine höhere Börsenbewertung. Soweit, so gut. Per se hat der Deutsche-Bank-Chef aber Fusionsgespräche alles andere als ausgeschlossen – eben nur nicht zum jetzigen Zeitpunkt.
Neue starke Bank mit Sitz in Deutschland soll geschaffen werden
Deutet man die Signale richtig, wird hinter den Kulissen fieberhaft nach Lösungen gesucht, um eine starke Bank mit Sitz in Deutschland zu schaffen, die in der Weltspitze mithalten kann. Dezent loten Sewing und Finanzminister Olaf Scholz Möglichkeiten aus, wie dies gelingen kann – für Sewing natürlich mit der Deutschen Bank im Lead.
Doch Vorsicht! Größe allein ist noch lange kein Garant für Erfolg. Vielmehr geht es auch darum, sinnvolle Kombinationen auszuloten, die eine Steigerung des Ertrags zur Folge haben können. Immerhin wird die Deutsche Bank in diesem Jahr erstmals seit 2014 wieder einen Gewinn ausweisen. Dennoch sind ihr die Konkurrenten aus Frankreich, der Schweiz oder den USA weit enteilt. Sollten sich die französische Société Génerale und die italienische Unicredit verbünden, wie vielfach kolportiert, geriete die Deutsche Bank noch mehr unter Druck.
Sondierungen für Mega-Bank im Sparkassenlager
Einen weiteren Weg, der Bundesrepublik eine neue Mega-Bank zu bescheren, wird derzeit im Sparkassenlager ausgekartet. So sondieren im Moment die Landesbanken Helaba, NordLB und LBBW einen Zusammenschluss, der perspektivisch noch um den Fondsdienstleister Deka sowie den Immobilienfinanzierer Berlin Hyp erweitert werden könnte. Dabei geht es auch darum, eine Lösung für die mit faulen Schiffskrediten belastete NordLB zu finden, ohne dass diese gar an einen US-Hedgefonds fällt. Entsprechende Anfragen etwa durch Cerberus und auch seitens chinesischer Interessenten hatte es ja bereits gegeben.
Skeptisch reagieren da freilich u.a. die Eigner der LBBW. Warum etwa sollte sich die Stadt Stuttgart an einer Kapitalerhöhung eines möglichen neuen Instituts beteiligen, um dazu beizutragen, die NordLB zu retten? Im Übrigen wäre der neue Hauptsitz vermutlich nicht Stuttgart, wo zurzeit die größte Landesbank Deutschlands residiert, sondern der Bankenplatz Frankfurt. Vielleicht ist diese Überlegung ja auch ein Grund dafür, warum sich die BayernLB bisher diskret aus den Sondierungen rausgehalten hat.
Das Warten auf die Ergebnisse der Stresstests
Bereits zwei Tage vor der eigentlichen Veröffentlichung der neuerlichen Banken-Stresstests hat die oberste Bankenaufseherin Daniele Nouy kurz vor ihrem Ausscheiden den Banken mangelnde Profitabilität bescheinigt. Als Ausweg aus dieser Situation empfahl sie der Branche eine Schrumpfkur infolge grenzüberschreitender Fusionen.
Dass bei der diesjährigen Belastungsprobe insbesondere die Ergebnisse der italienischen Banken von Interesse sind, dürfte nicht überraschen. Denn bereits bei dem Test vor zwei Jahren konnten diese nicht überzeugen und die Situation hat sich nicht verbessert. Doch auch der Kapitalpuffer der NordLB soll nach ersten, unbestätigten Informationen der Nachrichtenagentur Reuters beim Simulieren einer heftigen wirtschaftlichen Krise deutlich gefallen sein. Demnach soll die harte Kapitalquote nur noch ca. 7% betragen, nachdem Ende Juni der Wert mit 12,4% angegeben wurde.
Jedoch müssen wir uns noch bis morgen gedulden. Erst dann werden die Ergebnisse der 48 Geldinstitute aus 15 EU-Ländern und Norwegen veröffentlicht. Dabei wurden insgesamt 37 Banken aus der Eurozone und somit auch acht deutsche Institute durchleuchtet. Durchfallen konnte man zwar bei den diesjährigen Tests nicht, aber Rückschlüsse über die Fitness der einzelnen Bank sind durchaus möglich.